Freitag, 6. Oktober 2006

Miss Minime

… manchmal wäre ich gern wieder die da …

miss_minime

Plüschhasen die Ohren lang ziehen, lässige Frottee-Anzüge tragen, Spaghetti Bolognese von morgens bis abends essen und, gleichzeitig, kunstvoll an die Wand schmieren, Haare in der Pfütze waschen, viele viele Meter Tonband mit meinen Geschichten volllabern und bei jedem mehr oder weniger ernsten Problem (Hunger!) sagen "Mama, mach du mal!"
(Was ich nie wirklich getan habe, weil ich schon immer zu neugierig war und alles am liebsten selbst herausgefunden und in die Hand genommen habe … aber das ist eine andere Geschichte).

Flüchtling

uuh_wundervoll
(Bild gemopst im Pressebereich von koop)

Seit einer Woche lebe ich tagsüber auf einer Insel, Koop Islands. Eine seltsame, skurrile Insel, eine wunderschöne Insel. Die Reise nach Koop Islands ist angenehm kurz, ich trete sie an jeden Morgen, sobald ich mein Büro betrete, im langärmligen Pullover, Jeans, dicken Socken: Drücke die Play-Taste auf der Fernbedienung meines CD-Spielers, zünde die Karamel-Kerze an, lehne mich in meinem unendlich bequemen Bürostuhl zurück und schaue hinaus in den grauen Nieselregen, friere ein wenig, weil die Heizung erst gegen Mittag startet, kein Mensch weiß warum und kein Mensch scheint meine Beschwerde ernst zu nehmen, seis drum: der Koop Island Blues schaukelt mich warm, wundervoll säuselt mir Ane Brun ins Ohr:
hello my love
it’s getting cold on this island
i’m sad alone …

Frau Bruns Stimme erinnert mich an die so wundervoll nach aufgeklärter Sehnsucht klingende Alison Goldfrapp, ich liebe die Marimba, die so hübsch zwischen der vibrierenden Mandoline und Frau Bruns Stimme hin und her wippt, die Wipfel der Bäume draußen im Regen wippen immer ein kleines bisschen langsamer dazu im Wind … schon reißt mich eine andere Dame, Yukimi Nagano heißt sie, und ein „Los, klatscht alle in die Hände“-Beat aus meiner Melancholie, Dan Berglund, der kraftvolle Heavy-Jazz-Bassist, wandert auf seinem Bass durch mein Büro … „oh baby come to me“ singt Frau Nagano und gibt kurze 2 Minuten 51 später das Mikro weiter an Earl Zinger(uuuuh!), laut wird’s auf meiner Insel, wer auch immer Drums und Percussion bearbeitet, er tut es in einer Art wie ich sie nur von Mister Blakey kenne, voll, so voll, dass der komische Kronleuchter über meinem Tisch droht, die kleinen Lampenschirmchen herab zu werfen. Ich wippe mit den Zehen, schnippe mit den Fingern, singe „hmmm-a-hmmmmm-aaaaah“ und „dabdiduuuu“ vor mich hin, dritte Tasse Kaffee, Kaffee, der mir nur schmeckt, wenn ich gut gelaunt bin, bei „Moonbounce“, dem ersten von zwei Stücken auf Koop Islands, das ohne Gesang dafür aber mit hübschen „Duhuus-hu-huuuu-uuuuuhus“ eines Chors daher kommt, sehe ich Signor Rossini, das Glück suchend und findend, hier auf Koop Island … und nach 33 Minuten, 33 skurrilen, seltsamen, wunderschönen, fantasievollen, abenteuerlichen und viel zu kurzweiligen Minuten lässt mich Koop Islands zurück, zurück in meinem kalten Büro mit trüber Aussicht, lauwarmem Kaffee ohne Geschmack, Papierbergen und unbeantworteten Mails.
Nein! Ich reise erst heute abend zurück, dann, wenn ich den CD-Spieler ausschalte und mein Büro verlasse, so wie jeden Tag in dieser Woche, bitte, lieber Mister Zingmark, lieber Mister Simonsson, lassen Sie mich noch mal auf Ihre Insel, wieder und wieder - ach, besser noch: Nehmen Sie auch Auswanderer auf?

Play.

Freitag, 29. September 2006

Schneller, weiter, weg

spro
Versucht, Sommersprossen zu konservieren, digital.

Den Atem angehalten, vor Wut, ganz lang. Weil: Wut = groß. Roten Kopf bekommen und Hunger, großen Hunger, auf Süßes. Zusammenhang in Frage gestellt.

„brewery of beggars“ gehört, ganz laut. Auf der Anlage mit den dicken Boxen. Allein im Haus sein ist schön.

Festgestellt, dass sich ein Großteil meines Lebens um Worte und Wörter dreht.

Erschrocken festgestellt, dass es immer mehr Wörter werden, die ich kenne, deren Sinn ich kenne, in meiner Muttersprache und in fremden Sprachen. Und im Gegensatz dazu - das eigentlich Erschreckende - dass es immer weniger Worte gibt, die mich berühren.
Überlegt, ob das daran liegt, dass die Menschen im allgemeinen nachlässiger sprechen oder nur noch zitiert und kopiert und salopp dahergeredet oder „ach-du-weißt-schon-wie-ich’s-meine“delegiert wird, Missverständnisse inbegriffen, Hauptsache, man hat selbst keine Kraft aufs Formulieren, mitdenken, weiterdenken, andenanderendenken verschwendet.

Festgestellt, dass wahrscheinlich die wenigsten Menschen den Unterschied zwischen Worten und Wörtern kennen.

Auf die Suche nach Feinsinnigem gemacht, nix gefunden. Beschlossen virtuell den Koffer zu packen und zu suchen, suchen, suchen.

Berühr mich, Wort, bitte.
Honigbrot würde helfen, jetzt.
Oder ganz ganz viel PS unterm Hintern. Schneller, weiter, weg.

Unstillbar

Es ist ein Lächeln, das zum Grinsen wird, einem breiten, lang, sehr lang andauernden Grinsen, just in dem Moment, da Uri Caine den ersten Ton spielt, seinen Oberkörper dicht über das Fender Rhodes gebeugt, den Kopf dreht er zu Timothy Lefebvre, Timothys rechte Hand ruht noch an den Saiten seines E-Basses wie die Hand eines Cowboys in einem kitschigen Wildwest-Film am Halfter einer Pistole, entspannt, gespannt, bereit, bereit brummende, wabernde Bass-Salven abzufeuern, Timothy grinst jetzt ebenfalls, vielleicht weil er sich auf seinen Einsatz freut, vielleicht, weil er genauso fasziniert ist wie ich vom Tempo mit dem Zach Danziger auf sein Schlagzeug einpeitscht. Es ist dieses Lächeln, das zum Grinsen wird, immer dann, wenn ich den Kopf drehe und in die Gesichter des Publikums schaue, das Lächeln der grauhaarigen, hageren Dame entdecke, die eben noch keine Miene verzog, das Programmheft des North Sea Jazz Festival zu einer Rolle gedreht, fest umschlossen in der linken Hand, so fest, also suche sie Halt in den Worten, mit denen das Bedrock Trio dort angekündigt wird, überrascht und lächelnd jetzt, da ihr zu gefallen scheint, was sie hört. Es ist dieses Lächeln, das zum Grinsen wird, als ich das Kopfnicken des Studenten neben mir wahrnehme, eben noch erzählte er mir mit jenem amerikanischen Akzent, den ich erst nach ein paar Sätzen verstehen kann, von der Big-Band seiner Universität, mit der er morgen seinen Auftritt hier hat, er reckt sein Kinn unaufhörlich im Takt der Musik nach vorn, kleine Bewegungen sind es und doch scheint sein ganzer Kopf mitzunicken, seine Schultern zucken, fast schwindelig wird mir beim Zuschauen. Es ist dieses Lächeln, das zum Grinsen wird, als ich ein tiefes, gebrummtes „Yeah, man!“ höre, es klingt so klar, dass ich fast glaube, es käme vom Band oder von einer CD, der CD irgendeiner Live-Aufnahme einer Jazz-Session in einem Club irgendwo in New York, vielleicht dem Village Vanguard, dort scheinen solche Rufe zu einem Konzert zu gehören wie die nahezu andächtige Stille zu Beginn eines Konzerts hierzulande.
Es ist die Schwingung des Lautsprechers, auf dem ich sitze, zwei Armlängen hinter Esbjörn Svensson und seinem Flügel, nah, ganz nah, so nah wie ich später bei keinem Konzert seines Trios mehr an der Bühne sitzen konnte, wurden doch die Säle und Hallen mit jedem Auftritt des Trios größer, jene Schwingung, die mich mit den Zehen in meinem rechten Schuh im engen Raum zwischen Sohle und Kappe auf und ab wippen lässt, manchmal tappe ich mit dem ganzen Ballen auf den Boden, während mein linker Fuß ruht, fest auf dem Boden ruht, so wie meine linke Hand auf meinem Oberschenkel, während ich mit der anderen den Takt auf meinem Bein klopfe und immer wieder mit den Fingern das schnelle Spiel von Esbjörn Svensson auf dem Klavier nachzuahmen versuche, ab und zu unterbreche ich das Tappen, das Wippen, das Klopfen, das Fingerspiel, spüre nur die Schwingung jener Töne, die Dan Berglund mit seinen kräftigen Armen seinem Bass entlockt, er umschließt ihn fast ganz mit seinem Körper, er ist der einzige Kontrabassist, den ich kenne, der seinen Bass ab und an genau vor seinen Körper stellt und ihn umschließt, mit seinen Armen, wie sich eine Mutter
vielleicht hinter ihr Kind stellt, ihm Sicht freigibt auf alles, was es erwartet, ihm den Weg freihält, wohin auch immer es gehen mag, und ihm doch den Rücken stärkt, es schützt. Es ist diese Schwingung zwischen Esbjörn Svensson, Dan Berglund und Magnus Öström, die ich spüre, diese Schwingung, von der ich glaube, dass sie jeder spürt, der in diesem Raum sitzt oder steht und ihnen zuhört, diese Schwingung, mit der es ihnen wieder und wieder gelingt, ihre Stücke zu einem Atem beraubenden Tempo und Zusammenspiel hinaufzuschrauben, weiter, immer weiter, schneller, immer schneller, um plötzlich, abrupt, ein Stück enden zu lassen, wie ein Schnitt eine Szene in einem Film enden lässt, Schnitt, aus, neue Szene, nichts, nichts schwingt mehr nach, nichts scheint zu existieren in diesem Moment, nicht Zeit, nicht Luft, nicht Licht. Für den Bruchteil einer Sekunde ist alles, was schwingt mein Hirn, das mir vorgaukelt, jene Melodie noch hören zu können. Es ist jene Schwingung, mit der das Esbjörn Svensson Trio ein Stück von Thelonious Monk spielt, nach ein paar Takten steht Esbjörn vom Flügel auf und ermuntert das Publikum, mit zuklatschen, er lacht, lacht ins Publikum, klatscht den Takt vor, setzt sich wieder, spielt weiter, alle lachen, Esbjörn, Dan, Magnus, das Publikum, lachend, klatschend, den Takt klatschend zu einem Monk-Stück, interpretiert von einem schwedischen Jazz-Trio irgendwo auf einem Jazz-Festival mitten in Deutschland.
Es ist jene Gelassenheit, die mich einnimmt, sobald Miles Davis die ersten Töne seines Solos von „So What“ in die Luft pustet, bestimmt und doch gelassen, wie ein Raucher vielleicht, der kleine Kringel in die Luft pustet, jene Gelassenheit, nach der ich mich so sehr sehne, an einem Tag, an dem ich die Tageszeitung mit all ihren schlechten Nachrichten zu früh gelesen habe, zu früh, noch bevor mein Kaffee dampfend und heiß vor mir steht, zu heiß, um getrunken zu werden, doch Duft ausströmend, diesen beruhigenden Duft, der mich stets mit dem Tag versöhnt, noch bevor er richtig begonnen hat. Es ist jene Gelassenheit, die Paul Chambers mit seiner wundervollen kleinen Melodie am Bass in der ersten halben Minute von „So What“ in den völlig leeren Klangraum stellt, jene Gelassenheit, mit der ich meinen Wagen lenke, kupple, bremse, beschleunige, die Lautstärke meines CD-Spielers soweit aufgedreht, dass ich lautere Geräusche außerhalb meines Wagens noch hören kann, die Fenster geschlossen, die Klimaanlage sorgt für erträgliche 22 Grad an diesem viel zu heißen Vormittag im Juli auf der A40 irgendwo zwischen Moers und Kempen, ohne zu denken gleite ich dahin in meinem Wagen, schalte, kupple, lenke, bremse, beschleunige, hörend, sehend, was um mich herum geschieht. Es ist jene Gelassenheit, mit der ich nur in meinem Wagen die Welt um mich herum wahrnehme und sie doch ausblende, jene Welt, die ich an diesem Tag ausschließen möchte aus meinen Gedanken, jene Welt, deren Sorgen ich nicht teilen mag, nicht heute, es ist diese Gelassenheit, mit der ich Teil nehme und mich doch entziehe, ein Solo spiele in diesem kleinen Abschnitt des Lebens, diesem winzigen Ausschnitt aus der Welt.
Es ist diese Freude, die Dave Brubeck mit seiner Frau teilt, als Zuhörer auf dem Konzert einer Band, die von strengen Kritikern freilich nicht unter Jazz eingeordnet würde, doch Dave Brubeck ordnet nicht ein, er wippt mit dem Fuß, wippt mit der Hüfte, stehend, sich festhaltend an einem Geländer in diesem Konzertsaal und an der Hand der Gattin, wippt mit der Hüfte, stößt mit der Hüfte leicht an seine Gattin, lachend, teilend, Freude teilend darüber, wie schön Musik ist, die sich längst nicht mehr in Kategorien einordnen lässt, Freude teilend, unwissend, mit mir, die ich jene Szene beobachte. Es ist diese Freude, die jemand aus Dankbarkeit mit mir teilt, wenn eine Musikempfehlung so ganz unerwartet den Geschmack trifft, diese Freude, die ich in den Augen jener Menschen sehe, die sich auf Festivals, die das Etikett „Jazz“ tragen, plötzlich zu rockigen oder gar poppigen Klängen bewegen und sich nicht wundern oder wehren gegen das, was da mit ihnen geschieht, einfach so. Es ist diese Freude, die verbindet, immer, überall, alles und jeden, diese Freude, die zu Glück wird, Glück, das Stunden eines Konzertes überdauert und Sekundenglück, das mich fahle, graue Momente des Alltags vergessen lässt, immer wieder. Es ist diese Freude, dieses Glück, diese Gelassenheit, diese Schwingung und dieses Lächeln. Unstillbar.

Freitag, 22. September 2006

Sekundenglueck 00:50




sk_xxxxxx



Donnerstag, 24. August 2006

Schnupperdenker

Das frisch gebackene Brot duftet aus der Küche bis in mein Büro hinein, die asiatische Tütennudelsuppe in der weißen Porzellanschale, die bis eben die zwanzig Zentimeter Raum auf meinem Schreibtisch zwischen Tischkante und Laptop ausfüllte, mag ich nicht mehr riechen. Trinke gierig einen großen Schluck Wasser, stelle den kleinen Rest Suppe aufs Fensterbrett, weit weg von meinem Tisch, noch ein Schluck Wasser, es reicht nicht, um den künstlichen Geschmack aus meinem Mund zu vertreiben, dieser Geschmack, der sich irgendwo im hinteren Bereich meines Gaumens festgebissen hat, dieser Geschmack stört mich beim Riechen, beim Riechen des frisch gebackenen Brotes. Hints „Count your blessings“ treibt mich an, diese eingängige, kleine Melodie auf dem Synthezizer treibt meine Gedanken an, schnell noch eine kleine Idee, gruselig muss sie sein, gruselig wie das fade Blau des Himmels, das mich an die Farbe von 1,5-Liter-Plastik-Wasserflaschen erinnert, dann ein paar Ideen für die Weihnachtsausgabe, Weihnachten, wenn ich früh dran sein wollte in diesem Jahr, würde ich jetzt beginnen, meine Freu-dich-auch-drauf-CDs zusammenzustellen. Wenn, wollte, würde. Ich experimentiere ein bisschen mit Jam, Hulkkonens „Science“ passt so wunderschön zu Hints „Count your blessing“, komme mit dem Programm nicht sehr gut klar, wünsche mir, mal wieder, immer wieder, zwei 1210er und jede Menge Vinyl. Stattdessen zupfe ich mir ein kleines Stückchen von der knusprigen Kruste des Brotes ab, liebäugle mit der vierten Tasse Kaffee mit Tobleronestückchen und bin glücklich. Glücklich, weil niemand sehen kann, was ich alles gleichzeitig, nacheinander, nebeneinander her tue, wie ich mich ablenke, um mich wieder konzentrieren zu können, wie ich mit den nackten Zehen Dehnungsübungen auf kleinstem Raum mache, auf dem Fußboden, mit hochgezogenen Beinen, unter dem Po auf dem Stuhl verschränkt, weil niemand sehen kann, wie ich den linken Ärmel meines T-Shirts lang ziehe, ein Stückchen Stoff zwischen Daumen und Finger nehme, eine Faust bilde damit und am Stoff schnuppere, schnuppere und denke.

Dienstag, 22. August 2006

Bildungsbürger | Fantasiewesen







Ich weiß nichts,
aber ich kann mir alles vorstellen.©





Montag, 21. August 2006

Dabei sein: Alles … oder nichts

Im Grunde mag ich keine Konzerte, bei denen ich mehr als zwanzig Meter von der Bühne entfernt zuhören und sehen muss. Im Grunde mag ich Menschenansammlungen mit einer beständigen Dichte von vier Leuten pro Quadratmeter nicht. Im Grunde mag ich Lärm nicht – und meine Definition beginnt beim Kreissägen-Einsatz meiner überaus unsymphatischen Wir-bauen-uns-ein-Gartenhäuschen-Nachbarn am Sonntag Vormittag und endet bei allen Pop-Rock-Döspaddel-Dudlern, die innerhalb ZweiMinutenVierzig ihr ganzes Nichtkönnen übers Radio verbreiten (gemeinhin: file under >> Massengeschmack oder auch >> Kommerz; ja, ich weiß das). Im Grunde mag ich Gesang nicht. Und hier, genau hier beginnt das Dilemma.

DJ Shadow, im Grunde war ich nur wegen ihm in die Philipshalle gekommen, selten genug sind schließlich seine Auftritte hierzulande, scheint für die meisten Menschen um mich herum nur Support und ansonsten völlig unbekannt zu sein, es dauert zwei, drei Stücke, bis die Masse beginnt sich zum Takt zu bewegen oder anerkennend zu pfeifen. Und während ich tanze vom ersten Ton an, scheint die Realität in meinem Hirn etwas später anzukommen als in meinen Beinen. Ja, ich sehe ihn, klein nur von meinem Platz aus irgendwo in den letzten Menschenreihen der Halle, ja, ich höre ihn. Seine Begrüßung entspricht nahezu aufs Wort jener Begrüßung, die ich von seiner Live-DVD kenne, er spielt all meine Lieblingsstücke von Private Press und Endtroducing. Was fehlt? Adjektive, Attribute und der Charme von Live-Musik, das Glück vom Hören und Sehen. Es ist – perfekt, perfekt wie eine Aufnahme, nicht mehr, nicht weniger. Also tanze ich weiter und freue mich, übers dabei sein, einfach so. Bei Six Days hat er mich dann, der Herr Shadow, ein kleiner Extra-Loop am Anfang des Stücks, der so nicht auf Platte zu hören ist, yeah, ich liebe dieses Stück, könnte es endlos hören, springe in die Luft, hoch komme ich nicht, doch ich kann ein paar Blicke auf ihn erhaschen, immer wieder, sehe, dass er da ist, dass er sich bewegt vom Keyboard zum Plattenteller zum Keyboard, fein, es ist echt, es ist live, es ist gut. Es endet, als Herr Shadow irgendwann einen Herrn auf die Bühne bittet, der singt. In Hamburg im Mojo gab’s seinerzeit 'nen drunken drummer, zu dessen Spiel Herr Shadow mixte was das Zeug hielt (=genial!), hier und heute also eine Britpop-Stimme, einen Herrn Irgendwer (=nicht mein Ding), seinen Namen merke ich mir nicht, wer Infos will kann googeln gehen. Freilich, schlecht singt er nicht, dieser Herr Irgendwer, aber das gilt auch für meine Mama, wenn sie gut drauf ist, Fenster putzt und singt, dennoch würde ich verständnislos den Kopf schütteln, käme sie auf den Gedanken, mit Gesang Geld verdienen zu wollen. Also hake ich ihn ab für heute, den Herrn Shadow, hoffe, dass sein neues Album im Herbst nicht ausschließlich von der Stimme des Herrn Irgendwer getragen wird und wünsche mir, von ganzem großen Herzen, dass er bald wieder kommt, auf eine kleine Bühne, in einem kleinen Saal, in dem ich ganz vorn stehen und ihm auf die Hände schauen kann.
Eine Currywurst und eine Cola später stehe ich am gleichen Platz, geblendet von Lichtbändern, die alle Aufbauten, die ich so gern sehen würde, in grelles Nichts tauchen. Licht, Schatten, Licht und die Konturen zweier Drumsets, die die Bühne flankieren, das ist alles, was ich sehen kann, in den nächsten eineinhalb Stunden, immer dann wenn ich gen Bühne gucke. Zwei Drumsets! Der Druck, den die Drummer, die ich nicht sehen kann, damit erzeugen, entschädigt mich für alles … fürs nichts sehen können, fürs Defilée der Sänger und Sängerinnen, die mehr schlecht als recht für den Wiedererkennungseffekt von Karmacoma, Daydreaming, Unfinished Sympathy sorgen, zu soulig, bluesig, groovig klingen sie allesamt, ja, mancher mag von anderen Sphären sprechen, wenn da direkt zu Beginn von Angel zwei Töne zu hoch los geträllert wird, ich nicht, fürs sich lautstark unterhaltende Männerduo links, das Konzert mit Klub verwechselt. Druck, so wie ich es mag, brummende Bässe, zwei müssten es sein, sehen kann ich sie nicht, flirrende Gitarren, ebenfalls zwei, auch hier nur Vermutung, und schließlich, endlich!, lässt sich Herr Del Naja treiben, lässt Hymne of The Big Wheel zur Hymne werden, fernab der 6:36, die das Stück auf Platte zu bieten hat. Da ist er, der Charme von Live-Musik, das Glück vom Hören, bei dem das Nichtsehen in Grund, Boden und Bauch getrommelt wird. Und so singe ich, falsch freilich, weil noch immer die Drums-Bass-Guitar-Druckwelle des letzten Stückes in meinem Kopf dröhnt, den ganzen Nachhauseweg:

The big wheel keeps on turning
On a simple line day by day
The earth spins on its axis
One man struggle while another relaxes


Und das ist im Grunde gar nicht meine Art.

Dienstag, 15. August 2006

Sekundenglueck 00:48

sk_xxxxx



Morgen, endlich, Mister best-DJ-ever-Shadow und Trip-Hop-mehr-davon-Massive-Attack, live, Düsseldorf, Philipshalle.

Weg

Das Mobiltelefon vibriert in ihrer Tasche. Mit der rechten Hand hält sie sich ein Ohr zu, mit der linken das Telefon ans andere Ohr.
„Ja?“
„Wann kommst du?“
„Morgen.“
„Ich brauch dich, jetzt. Bitte komm zurück.“
„Ich bin auf einem Konzert, 300 Kilometer von dir.“
„Bitte, komm. Ich brauche dich.“
„Ich bin zu müde, um jetzt in der Nacht noch zu fahren. Ich komme morgen.“
„Ich hole dich, jetzt, wo bist du?“
„Weit weg. Erinnerst du dich, als du sagtest: ‚Geh! Geh, mach was alleine, unternimm was. Geh aus, geh weg, was du willst. Geh - das wird dir gut tun!’?“
„Ja, aber jetzt brauche ich dich! Ich hole dich!“
„Erinnerst du dich, als ich antwortete: ‚Aber ich bin glücklich, so wie es ist.’?“
„Ja.“
„Jetzt, jetzt bin ich glücklich so wie es jetzt ist. Ich komme nicht, ich lasse mich nicht holen von dir. Erinnere dich an deinen eigenen Rat: Geh, unternimm was, geh aus, geh weg - geh: Das wird dir gut tun.“
„Aber ich, ich brauche dich doch, jetzt. Bitte, bitte komm zurück.“
„Nein.“
Klick.
Knack.

Sie ist _weg.

Freitag, 11. August 2006

Zielgerade

Mister Frankenreiter ist runter gefallen, John Coltrane liegt schon seit Tagen oben auf und Stan Getz und Joao Gilberto spiegelten sich den ganzen Morgen im Licht des Laserstrahls, each one who hears it goes „Ahhh!“. Herr Hulkkonen befindet sich im Schacht meines Wechslers im Auto, das Cinematic Orechstra ebenfalls, Medeski, Martin, Wood würden aus meinem Büro nun vielleicht wirklich ein Bubblehouse machen, was ich allerdings brauche, dringend, ist die Mischung aus blauer Melancholie und rotem Grausen. Mancini? Zu offensichtlich. Den Tonspuren von Senor Coconut, Atom oder einfach nur Herrn Schmidt, Uwe folgend durchs Netz schleichen? Lieber hefte ich mich live, morgen, an die Hände und Lippen des Senor. Mouse on Mars? Hmmmh, ebenfalls lieber live, nächsten Samstag.
Monk: Straight, No Chaser. Monk: Straight, No Chaser - Between The Devil And The Deep Blue Sea.

Mal sehen, wer schneller ist.




























Ich.

blogistin

Fantasie, Fiktion, Fraktales

Ich will ...

 

War was?

oha
oha
blogistin - 30. Mai, 15:37
… achach, ebenso, herz&gut. Wir...
… achach, ebenso, herz&gut. Wir sehn uns :-*
blogistin - 30. Mai, 15:36
baba
baba
boomerang - 30. Mai, 15:07
Ach, Du liebe herzensgute...
Ach, Du liebe herzensgute Frau...ich drück' Dich! :-*
Budenzauberin - 30. Mai, 14:58
au revoir
merci an die Knallgrauen für die hübsche Nische im...
blogistin - 30. Mai, 14:42
danke.
danke.
blogistin - 28. März, 18:25
Sekundenglueck 1:56
Nichts ist mehr wichtig. Und alles kann warten. (Danke...
blogistin - 14. März, 13:20
Danke, Dok!
Ich mag Authentizität, auch wenn ich das Adjektiv stets...
blogistin - 18. Oktober, 10:55
... gibt's so einen auch...
... gibt's so einen auch von montblanc?
timanfaya - 28. Februar, 15:27
Schöner Schimpfen 0212
Lieblingsschimpfwort Februar Lückenfüller
blogistin - 27. Februar, 14:43

Huch!

Du bist nicht angemeldet.

Raum & Zeit

Online seit 7317 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 30. Mai, 15:37

Blogistin dankt

Rückspiegel

April 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 

Blaupause
Der rote Bereich
Es gruesst: Das Murmeltier
Glücksklick
Links
Nullnummer
Rechts
Schöner schimpfen
Sekundenglueck
Stehsatz
take five
Wortglitzereien
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
development